Mein heutiger Beitrag beschäftigt sich nicht mit einem warmen Sauerkrautgericht, sondern mit dem „rohen“ Sauerkrautprodukt. Ich hatte über Jahre immer wieder Versuche unternommen, Sauerkraut selbst herzustellen. Dieses gelang mir mal besser, mal schlechter. Im vergangenen Herbst habe ich etwa zeitgleich mit meinen ernsthafteren Kimchi-Experimenten auch angefangen, mich ernsthaft mit der Sauerkrautherstellung zu beschäftigen. Es ging mir dabei nicht um das in Deutschland sehr beliebte Weinsauerkraut, welches bereits für die Gärung mal mit Essig, mal mit Wein versetzt wird. Ich hatte Hunger auf Sauerkraut, wie ich es aus meiner Kindheit kannte: mit Zugabe von Karotten und Salz. Keine weiteren Zutaten oder Gewürze.
Ich betrieb Recherche. Fermentieren ist gegenwärtig ein großes Thema in der Foodblog-Szene: jeder macht es, jeder scheint es zu können. Es wird suggeriert, es sei super einfach, super lecker, super gesund. Und Sauerkraut scheint dabei die einfachste aller Übungen zu sein. Was mich bei den Bild- und Videorezepten jedoch störte, war, dass so gut wie immer eine Schritt-für-Schritt-Dokumentation des ersten Tages zu finden war, alles weitere wurde in wenigen vagen Sätzen ohne Bild- oder Videomaterial abgehandelt. Es blieb also immer offen, ob die Autoren nach wenigen Tagen eine verschimmelte Katastrophe entsorgen mussten oder ob ihnen wirklich ein monatelang haltbares Produkt gelungen ist. Und die Angaben waren dabei so verschieden, dass sie sich zum Teil widersprachen.

Also weitete ich meine Recherche aus. Unter den russischsprachigen Videobloggern gibt es (im Gegensatz zu der deutschsprachigen Szene) eine nicht geringe Anzahl an älteren Damen, die auf viele Jahrzehnte Erfahrung zurückblicken und diese nun teilen. Die Grundsätze, über die diese Damen in ihren Videos dozieren, deckten sich interessanterweise sehr mit den Angaben in meinen Kochbüchern (von mehreren Kontinenten und aus verschiedenen Zeiten stammend).
Salz: Es muss unbehandeltes Meer- oder Steinsalz sein. Jodiertes oder sonstwie (zum Beispiel mit Rieselhilfen) behandeltes Salz kann die Gärung unterdrücken oder vollständig verhindern, weil es die Milchsäurebakterien stören kann. Ob grobes oder feines Salz verwendet wird, scheint keine Rolle zu spielen. Viele der Rezepte der modernen Blogger verlangen nach zu wenig Salz: in erstzunehmenden Quellen sind es immer etwa 3%, somit 3 g für jede 100 g Kohl/Karotte/Wasser. Salz verhindert/vermindert das Wachstum von Pilzen (und somit Schimmel) und sonstigen schädlichen Mikroorganismen während die Milchsäurebakterien nicht gestört werden und somit ihr Werk vollbringen können. Die Mischung muss am Tag der Herstellung etwas versalzen schmecken, dieses wird im Lauf der Fermentierung jedoch abnehmen.
Weißkohl: Es wird empfohlen, Kohl aus Bioanbau zu verwenden. Das hat neben den Beweggründen, die sonst eine Rolle spielen, auch noch weitere: der Kohl aus konventionellem Anbau widersetzt sich wohl manchmal der Vergärung. Ob es an Düngemittel-Rückständen in der Ernte oder an der reduzierten Konzentration der Milchsäurebakterien auf den Kohlblättern liegt oder sonstige Gründe hat, kann ich nicht sagen. Als weiteres wird gesagt, dass der Kohl nicht unmittelbar vom Beet zu Sauerkraut verarbeitet werden soll, sondern erst nach einigen Tagen Lagerung: ob dieses stimmt habe ich bisher nicht überprüfen können, weil ich noch keinen Kohl direkt vom Beet in meiner Küche hatte.
Gärbehältnis: Welches Gärbehältnis ideal ist, hängt unter anderem davon ab, wie groß die Menge sein soll. Die in Deutschland traditionellen Sauerkrauttöpfe sind für größere Mengen sicher gut, für kleinere Mengen meines Erachtens zu unpraktisch und zu schwer. Ich benutzte bisher fürs Gären eine banale Glasschüssel, zur Beschwerung einen von der Größe her passenden weißen Teller und ein verschlossenes mit Wasser gefülltes Glas. Paul Virant empfielt in seinem Buch The Preservation Kitchen als Gewicht einen mit Salzwasser-Lösung gefüllten Plastikbeutel (dieses habe ich bisher noch nicht getestet). Für meine jüngste Portion – die ich im Mai angesetzt hatte – benutzte ich ein für Kimchi entwickeltes Behältnis. Es befindet sich seit Kurzem in meinem Besitz, besteht aus korrosionsbeständigem Plastik mit Tonanteil und hat ein Kompressions-Inlay. Das Sauerkraut wurde noch besser als sonst.

Zutaten (für ca. 1 Liter-Glas fertiges Sauerkraut):
1 kg Weißkohl (s.o.)
1 kleine Karotte
ca. 30 g Meer- oder Steinsalz (s.o.)
Zubereitung:
Den Kohl von den äußeren Blättern befreien und dann fein hobeln oder mit einem Messer in sehr feine Streifen schneiden. Die Karotte schälen und entweder grob reiben oder in feine Streifen schneiden/hobeln. Kohl und Karotte gemeinsam wiegen und in eine große korrosionsbeständige Schüssel geben.
3% Salz hinzugeben (d.h. 3 g pro 100 g bzw. 30 g pro 1 kg), alles miteinander locker vermischen und ca. 15 Minuten stehen lassen.

In der Zeit wird der Kohl anfangen zu „schwitzen“ und schon einiges an Saft abgeben. Nun geht es darum alles zusammen gut verkneten, damit der Kohl etwas weicher wird und noch mehr Saft abgibt. Je nach Weißkohlsorte, Saison und Lagedauer kann es dabei mehr oder weniger Saft geben. Falls der Kohl „zu trocken“ wirkt: schon mal Wasser mit Salz aufkochen und auf Zimmertemperatur abkühlen lassen (auf je 100 g Wasser 3 g Salz).
Nun die Kohlmischung nach und nach in ein Gärbehältnis (s.o.) geben und jeweils kräftig andrücken. Lüfteinschlüsse sind auf jeden Fall zu vermeiden. Ein Gewicht auflegen. Es kann sein, dass zum jetzigen Zeitpunkt die Mischung noch nicht vollständig von Flüssigkeit bedeckt ist. Die Flüssigkeitsmenge wird jedoch noch zunehmen. Sollte die Mischung in 10-12 Stunden immer noch nicht von Flüssigkeit bedeckt sein, soviel abgekochte (und abgekühlte) Salzwassermischung hinzugeben, dass die Kohl-Karottenmischung komplett von Flüssigkeit bedeckt ist. Jetzt lässt man das Ganze bei Zimmertemperatur ohne direkte Sonneneinstrahlung stehen. Mindestens einmal am Tag sollte man das Projekt in Augenschein nehmen. Etwa nach 24 Stunden beginnt meist die erste Gasentwicklung und auch ein etwas unangenehmer Geruch (in einer offenen Küche hätte man damit also wenig Freude). Wenn große Kohlmengen (mehrere kg) verarbeitet wurden und somit eine hohe Schicht im Behältnis ist, wird empfohlen, einmal täglich mit einem sauberen Gegenstand (z.B. hölzernen Schaschlickspieß) mehrfach durch alle Kohlschichten stechen, damit sich keine großen Gaskissen bilden können. Etwa nach 3-7 Tagen (abhängig von der Umgebungstemperatur) wird sich die Gasbildung wieder verringern, gleichzeitig verschwindet der stechend-unangenehme Geruch, der einem säuerlich-angenehmen Sauerkrautgeruch weicht. Nun sollte man einmal täglich etwas von dem Sauerkraut probieren. Sobald es den gewünschten Säuregrad erreicht hat, füllt man es in ein sauberes Glas mit säurebeständigem Deckel um, drückt es gut fest und stellt es in den Kühlschrank. Im Kühlschrank kann es viele Wochen bis Monate gelagert werden, es wird dabei noch minimal weitersäuern.

Von Zeit zu Zeit sollte man sich das Glas ansehen, um sicherzugehen, dass es dem Sauerkraut weiterhin gut geht, u.a. dass weiterhin alles von Flüssigkeit bedeckt ist. Nach dem Entnehmen einer Portion (unbedingt mit sauberen Händen und Werkzeug), sollte man den Rest wieder gut andrücken.
Dieses Sauerkraut ist knackig-frisch. Es schmeckt pur sehr gut, kann aber auch als Sauerkrautsalat zubereit werden, ist eine notwendige Zutat im russischen Vinaigrette und ist – vor allem im Winter – eine grandiose Suppenzutat.

